Beim Reisen mit chronischer Erkrankung gibt es Besonderheiten bei der Krankenversicherung, die vielen Menschen nicht bekannt sind. Aufgrund der begrenzten Möglichkeit der Krankenversicherung sind Auslandsaufenthalte außerhalb Europas für Menschen mit chronischen Erkankungen (abgesehen von ein paar wenigen weiteren Staaten) meist mit großen gesundheitlichen und finanziellen Risiken verbunden.
Denn die gesetzliche Krankenversicherung limitiert bei Reisen in diese Länder den Versicherungsschutz auf maximal sechs Wochen. Außerdem gibt es eine finanzielle Deckelung nach oben. Die zusätzlichen privaten Absicherungsmöglichkeiten („Reisekrankenversicherung“) versichern bestehende chronische Erkrankungen ohnehin nicht mit.
Das betrifft insbesondere die Kostenübernahme für folgende Leistungen:
- regelmässig einzunehmende Medikamente
- regelmässig notwendige Kontrolluntersuchungen
- ganz besondere existentielle finanzielle Risiken sind unvorhergesehene Krankenhausaufenthalte, die aufgrund der chronischen Erkrankung notwendig werden
- Rücktransporte
Da dies den Reisenden oft nicht bewusst ist befasst sich dieser Beitrag mit der Krankenversicherung im Ausland bei bestehenden Vorerkrankungen.
Bei den Staaten auf unserer Erde gibt es aus der Sicht des Krankenversicherungsschutzes folgende drei Gruppen.
Zunächst gehe ich auf die Krankenversicherung bei Urlaubsreisen in Europa ein, dann behandele ich die Situation mit Sozialversicherungsabkommen und weiter unten bezieht sich das Thema Krankenversicherung auf Reisen in den Rest der Welt.
1. Krankenversicherung bei Reisen innerhalb der Europäischen Union (EU) sowie des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), Großbritanien und der Schweiz
Die Absicherung umfasst diejenigen Leistungen, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen des Ziellandes üblich sind.
Bei Urlaubsreisen innerhalb dieser Staaten gilt die Europäische Versicherungskarte, die auf der Rückseite jeder Krankenkassenkarte aufgedruckt ist. Diese kann im Zielland wie gewohnt verwendet werden. Auf der Internetseite des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (DVKA) gibt es zu jedem dieser Länder ein Urlaubermerkblatt als pdf zum Download, welches auf die Besonderheiten des Gesundheitssystems im Zielland hinweist. Das betrifft die ärztliche ambulante Behandlung, die Behandlung beim Zahnarzt, im Krankenhaus, Informationen über Zuzahlungen und Vorgehensweisen bei Medikamentenverodnungen.
Krankenversicherung Staaten mit Europäischer Krankenversicherungskarte
Staat | Stand 01/2023 |
---|---|
Belgien | Europäische Gesundheitskarte |
Bosnien und Herzegowina | Europäische Gesundheitskarte |
Bulgarien | Europäische Gesundheitskarte |
Dänemark | Europäische Gesundheitskarte |
Estland | Europäische Gesundheitskarte |
Finnland | Europäische Gesundheitskarte |
Frankreich | Europäische Gesundheitskarte |
Griechenland | Europäische Gesundheitskarte |
Irland | Europäische Gesundheitskarte |
Island | Europäische Gesundheitskarte |
Italien | Europäische Gesundheitskarte |
Kroatien | Europäische Gesundheitskarte |
Lettland | Europäische Gesundheitskarte |
Liechtenstein | Europäische Gesundheitskarte |
Litauen | Europäische Gesundheitskarte |
Luxemburg | Europäische Gesundheitskarte |
Malta | Europäische Gesundheitskarte |
Marokko | Europäische Gesundheitskarte |
Montenegro | Europäische Gesundheitskarte |
Niederlande | Europäische Gesundheitskarte |
Nordmazedonien | Europäische Gesundheitskarte |
Norwegen | Europäische Gesundheitskarte |
Österreich | Europäische Gesundheitskarte |
Polen | Europäische Gesundheitskarte |
Portugal | Europäische Gesundheitskarte |
Rumänien | Europäische Gesundheitskarte |
Schweden | Europäische Gesundheitskarte |
Schweiz | Europäische Gesundheitskarte |
Serbien | Europäische Gesundheitskarte |
Slowakei | Europäische Gesundheitskarte |
Slowenien | Europäische Gesundheitskarte |
Spanien | Europäische Gesundheitskarte |
Tschechien | Europäische Gesundheitskarte |
Tunesien | Europäische Gesundheitskarte |
Türkei | Europäische Gesundheitskarte nur in staatlichen Krankenhäusern |
Ungarn | Europäische Gesundheitskarte |
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland | Europäische Gesundheitskarte |
Zypern | Europäische Gesundheitskarte |
Belgien-Bosnien und Herzegowina-Bulgarien-Dänemark-Estland-Finnland-Frankreich-Griechenland-Irland-Island-Italien-Kroatien-Lettland-Liechtenstein-Litauen-Luxemburg-Malta-Marokko-Montenegro-Niederlande-Nordmazedonien-Norwegen-Österreich-Polen-Portugal-Rumänien-Schweden-Schweiz-Serbien-Slowakei-Slowenien-Spanien-Tschechien-Tunesien-Türkei-Ungarn-Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland-Zypern
Die Europäische Gesundheitskarte.
Leider gilt auch, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland nur die Kosten für die medizinischen Leistungen in der Höhe der Bestimmungen des jeweiligen Aufenthaltslandes übernehmen. Rücktransporte nach Hause sind ausgeschlossen:
„Bitte bedenken Sie, dass Sie über die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) nur Anspruch auf die unter Berücksichtigung Ihrer Aufenthaltsdauer medizinisch notwendigen Leistungen haben und nur in dem Umfang und in der Art und Weise (z. B. als Kostenerstattung), wie er für gesetzlich im Aufenthaltsstaat Versicherte besteht. Kosten eines Rücktransports nach Deutschland und Leistungen, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung im Aufenthaltsstaat gehören, sind über einen ggf. in Deutschland fortbestehenden gesetzlichen Krankenversicherungsschutz generell ausgeschlossen. Wir raten Ihnen daher sich auch über ein adäquates Angebot für einen privaten Krankenversicherungsschutz beraten zu lassen.“
Quelle: Internetseite GKV Spitzenverband Verbindungsstelle Ausland
Ein privater Versicherungsschutz (Auslandskrankenversicherung), der die Kosten für die Behandlung bestehender chronischer Erkrankungen im Ausland absichert, ist mir noch nicht bekannt. Die Privatversicherer sichern bei chronisch Kranken lediglich allgemeine gesundheitsliche Risiken ab, wie z.B. einen Beinbruch, Infektionskrankheiten oder Zahnarztbehandlungen ab. Allerdings habe ich hier ein Versicherungsbüro gefunden, das auf seiner Webseite Auslandskrankenversicherungen ohne Gesundheitsfragen bewirbt.
Das bedeutet, wer eine chronische Erkrankung hat und auf regelmässige Medikamenteneinnahme angewiesen ist, muss bei jeder längeren Urlaubsreise recherchieren und planen, ob im jeweiligen Land notwendige Medikamente beschafft werden können und ob eine Kostenübernahme Teil der Leistungen der dortigen gesetzlichen Krankenversicherung ist. Gleiches gilt für eventuell notwendige ambulante und stationäre Behandlungen und Untersuchungen. Das restliche finanzielle und in dessen Folge gesundheitliche Risiko trägt man immer alleine.
Diese Handy-App der europäischen Kommission enhält weitere Informationen zur Verwendung der europäischen Gesundheitskarte in 31 Staaten: „App Europäische Gesundheitskarte“
2. Krankenversicherung bei Urlaubsreisen in Länder, mit denen Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen hat
Mit einzelnen Ländern hat Deutschland jeweils eigene bilaterale Abkommen getroffen, die auch die Krankenversicherung regeln. Bis vor wenigen Jahren handelte es sich um Israel, Tunesien, Türkei und einige europäische Länder außerhalb der EU. Mittlerweile hat sich diese Liste stark erweitert. Auch zu diesen Staaten gibt es auf der Internetseite des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (DVKA) jeweils ein Urlaubermerkblatt als pdf mit den wichtigsten Informationen zum Gesundheitssystem.
Staat | Stand 01/2023 |
---|---|
Albanien | Sozialversicherungsabkommen |
Australien | Sozialversicherungsabkommen |
Bosnien und Herzegowina | Sozialversicherungsabkommen |
Brasilien | Sozialversicherungsabkommen |
Chile | Sozialversicherungsabkommen |
China | Sozialversicherungsabkommen |
Indien | Sozialversicherungsabkommen |
Israel | Sozialversicherungsabkommen |
Japan | Sozialversicherungsabkommen |
Kanada | Sozialversicherungsabkommen |
Korea | Sozialversicherungsabkommen |
Kosovo | Sozialversicherungsabkommen |
Kroatien | Sozialversicherungsabkommen |
Marokko | Sozialversicherungsabkommen |
Moldau | Sozialversicherungsabkommen |
Montenegro | Sozialversicherungsabkommen |
Nordmazedonien | Sozialversicherungsabkommen |
Philippinen | Sozialversicherungsabkommen |
Quebec | Sozialversicherungsabkommen |
Serbien | Sozialversicherungsabkommen |
T?kei | Sozialversicherungsabkommen |
Tunesien | Sozialversicherungsabkommen |
Uruguay | Sozialversicherungsabkommen |
USA | Sozialversicherungsabkommen |
Stand 1/2023: Albanien – Australien – Bosnien und Herzegowina – Brasilien – Chile – China – Indien – Israel – Japan – Kanada – Korea – Kosovo – Kroatien – Marokko – Moldau – Montenegro – Nordmazedonien – Philippinen – Quebec – Serbien – Türkei – Tunesien – Uruguay – USA
Mehr Informationen findest Du hier: www.dvka.de
3. Trips in den Rest der Welt: unzureichende Absicherung und hohe Risiken
Wie ist es bei Urlaubsreisen in andere Staaten? Nach telefonischer Auskunft (Stand 2015) der Verbindungstelle Ausland des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (DVKA) kann die gesetzliche Krankenversicherung bei diesen Reisen auf vorherigen Antrag einen Teil der Behandlungskosten auch bei chronischen Erkrankungen für maximal sechs Wochen im Jahr übernehmen. Aber nur bis zu einer maximalen Obergrenze. Die Kosten können nur nach Vorlage der Originalrechnungen bis maximal zu der Höhe erstattet werden, welche die Behandlung in Deutschland kosten würde. Die DVKA wies im Telefonat auf hohe Risiken durch diese unzureichende Absicherung hin. Die Gesundheitsdienstleister vor Ort bestehen demnach auf sofortige Zahlung, d.h. der Versicherte muss die Rechnung erstmal selbst bezahlen. Die Krankenkasse entscheidet dann erst nach Erhalt der Originalrechnung, wieviel sie zurückerstattet. Gegebenenfalls muss die Rechnung noch in Deutsch übersetzt werden und auf dem langen Postweg bis zum Sachbearbeiter der Krankenkasse soll schon manche Rechnung verschwunden sein. Und es können hohe Geldbeträge zusammenkommen, die in Vorleistung getragen werden müssen.
Absolute Voraussetzung für den Versicherungsschutz durch die (deutsche) gesetzliche Krankenversicherung im Ausland ist, dass rechtzeitig vor der Reise ein Termin bei euer Krankenkasse stattfindet, bei dem ihr die Kostenübernahme für die erforderliche Medikamente und erforderliche medizinische Versorgung während des Auslandsaufenthalts beantragt. Nach §18 SGB V ist die gesetzliche Krankenkasse verpflichtet ihren Versicherungsschutz auf vorherigen Antrag für maximal sechs Wochen bei einer Auslandsreise oder für die Dauer eines Auslandsemester zu gewähren, wenn der Aufenthalt für das Studium notwendig ist. Für Menschen mit chronischer Erkrankung wird keine private Auslandskrankenversicherung die Kosten für spezielle Medikament und eventuelle Krankenhausbehandlungen der Grunderkrankung übernehmen. Die gesetzliche Krankenversicherung kann verlangen, dass schriftliche Ausschlusserklärungen privater Auslandskrankenversicherungen vorgelegt werden. Diese sind jedoch nicht immer einfach zu bekommen.
Folgendes ist dabei zu beachten, seht es als Checkliste:
- Es handelt sich um einen Urlaub oder ein Auslandssemester ohne Arbeitsverhältnis.
- Der Wohnsitz muss in Deutschland bleiben.
- Beim Termin mit der gesetzlichen Krankenkasse rechtzeitig vor der Reise den Antrag auf Kostenübernahme für die erforderliche Behandlung im Zielland stellen.
- Den Namen des Gesprächspartners der Krankenkasse notieren, diesen als weiteren Ansprechpartner nehmen und während der Auslandreise anfallende Rechnungen direkt an diese Person senden.
- Gegebenfalls drei Ablehnungen bzw. Ausschlusserklärungen von Versicherungsversuchen bei privaten Auslandskrankenversicherungen bezüglich der Kostenübernahme der notwendigen Behandlung der chronischen Erkrankung vorlegen.
- Die gesetzliche Krankenversicherung erstattet nur die Kosten, die ein Arzt, ein Krankenhaus oder eine Apotheke in Deutschland abrechnen würden.
- Die Erstattung bzw. Beteiligung an den Kosten durch die Krankenkasse geschieht erst nachträglich nach Erhalt der Original-Rechnung. Vor Ort muss die Rechnung selbst bezahlt werden.
- Die Rechnung muss in deutscher Sprache (Amtssprache) vorliegen oder von einer dritten Person/einem von der Krankenkasse anerkannten Dolmetscher übersetzt werden.
- Empfehlenswert ist, die Kosten für Medikamente und Behandlungen im Zielland vorher in Erfahrung zu bringen (Apotheke/Arzt vor Ort ansprechen) und diese mit der maximalen Erstattung der Krankenversicherung zu vergleichen.
- Krankenhausaufenthalte im Ausland sind ein unabsehbares finanzielles und gesundheitliches Risiko, da die Kosten vor Ort immer zunächst selbst getragen werden müssen. Eine Rückerstattung kann lange dauern und möglicherweise nur einen Teil der Kosten decken. Ein Rücktransport ist niemals Teil der Krankenversicherung.
Anmerkung: der Beitrag erschien 2015 auf meinem Blog handicap-bazar.de und wurde 2021 nochmal aktualisert und hier veröffentlicht.