Wechsel der Krankenkasse auch mit chronischer Erkrankung

Viele Menschen mit chronischer Krankheit oder Behinderung glauben, daß für sie ein Wechsel der Krankenkasse nicht möglich ist, weil eine andere Krankenversicherung sie nicht aufnehmen würde. Hinzu kommt die Macht der Gewohnheit, die einem Krankenkassenwechsel entgegensteht. Dabei gibt es gerade bei chronischer Krankheit oder Behinderung gute Gründe, die für einen Wechsel sprechen können. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Wechsel leicht und unkompliziert möglich, bei der privaten Krankenversicherung ist ein Wechsel leider nicht so einfach.

Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)

Ein Grund die Kasse zu wechseln ist insbesondere gegeben, wenn es mit der Krankenkasse immer wieder Ärger um die Bewilligung notwendiger Leistungen gibt. Während die Kostenübernahme von Medikamenten in der Regel unproblematisch von statten geht, unterscheiden sich auch gesetzliche Krankenkassen sehr bei der Bewilligung von Rehabilationsmaßnahmen und Hilfsmitteln. Manche Kassen haben gar den Ruf, daß sie grundsätzlich zunächst Hilfsmittel und Reha ablehnen und es darauf ankommen lassen, ob der Antragsteller einen Widerspruch schreibt.

Der Wechsel in eine andere gesetzliche Krankenversicherung ist sehr einfach. Die Kündigungsfrist für die gesetzliche Krankenkasse beträgt zwei Monate zum Monatsende, die Mindestlaufzeit der Krankenversicherung beträgt 18 Monate. Innerhalb der Kündigungsfrist muss bei der neuen Krankenkasse einfach nur die Mitgliedschaft beantragt werden. Vorhandene Hilfsmittel werden von der neuen Krankenkasse übernommen und verbleiben beim Versicherten.

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Private Krankenversicherung (PKV)

Auch bei den privaten Krankenversicherungen gibt es Leistungsunterschiede, die sich meist auf den abgeschlossenem Vertrag begründen. Wenn der Vertrag z.B. keine Ergotherapie beinhaltet, gibt es auch keine Kostenübernahme. Im Rahmen einer Studie, welche private mit gesetzlichen Krankenkassen vergeleicht, wurde gezeigt, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen in der privaten Krankenversicherung oftmals benachteiligt sind. Beispielsweise wurden Lücken bei folgenden wesentlichen Leistungen aufgezeigt:

  • Rehabilitationen nach einem Krankenhausaufenthalt: in 40% der PKV-Verträgen ist das nicht vorgesehen
  • Häusliche Krankenpflege: Fehlanzeige bei 42% der PKV-Verträge
  • Krankentransporte zur ambulanten Behandlung: bei 32% der PKV-Verträge nicht enthalten
  • Kostenübernahme von Psychotherapie: bei 36% der PKV-Verträge unzureichend
  • Kostenübernahme von ambulanten Rehamaßnahmen: fehlt bei 60% der PKV-Verträge
  • Enterale Ernährung: bei 30% der PKV-Verträge nicht garantiert.

Mehr dazu habe ich in einem Artikel über die Benachteiligung chronisch erkrankter Menschen in der PKV zusammengefassst.

Ist man spürbar von den aufgeführten Nachteilen betroffen finde ich es ratsam in den Basistarif zu wechseln oder wenn möglich in die gesetzliche Krankenversicherung zurückzukehren.

Wechsel in den Basistarif der PKV

In der privaten Krankenversicherung gibt es seit 2009 die Basistarife, deren Leistungen mit denen der gesetzlichen Krankenkassen vergleichbar sein müssen. Dies ermöglicht es auch den privat Versicherten, deren Verträge z.B. keine Rehamaßnahmen oder Ergotherapie vorsehen, ihre Versicherungsbedingungen ohne Wechsel zu einem anderen Versicherer zu verändern. Betroffene können sich dazu ein Angebot für den Basistarif geben lassen. Unter welchen Voraussetzungen ein Wechsel in den Basistarif möglich ist, erläutert das Bundesministerium für Gesundheit auf seinem Internetauftritt.

Wechsel von der PKV in die GKV

Für die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung gibt es einige besondere Fälle, in denen in einem Zeitfenster von drei Monaten ein Wechsel in die GKV möglich ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V):

  • Sonderfall Schwerbehinderung: innerhalb eines Zeitfensters von drei Monaten nach Feststellung eines GdB von 50 besteht ein Recht, der GKV freiwillig beizutreten, wenn der Antragsteller, ein Elternteil, der Ehegatte oder Lebenspartner in den letzten fünf Jahren vor dem Beitritt mindestens drei Jahre in der GKV versichert waren und wenn der Antragsteller die für den Beitritt nach Satzung der Krankenkasse maßgebliche Höchstaltersgrenze noch nicht überschritten hat. Die Höchstaltersgrenze ist unterschiedlich. Die meisten Krankenkassen wie zB die AOK Bayern sehen als Höchstaltersgrenze für einen Beitritt von Schwerbehinderten das 45. Lebensjahr vor.
  • bis zum 55. Lebensjahr ist eine Rückkehr in die GKV bei nachfolgenden Bedingungen möglich – Achtung es gilt ein Zeitfenster von drei Monaten nach Eintritt der jeweiligen Situation:
    • wenn das regelmäßige Arbeitsentgelt voraussichtlich für ein Jahr unter die Versicherungspflichtgrenze sinkt, z.B. durch Teilzeit, Familienpflegezeit, Elternzeit, Entgeltumwandlung.
    • bei Bezug von Arbeitslosengeld, und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens vierundzwanzig Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate Versicherungszeit bestand.
    • für Schüler und Studenten, Landwirte, Künstler, Publizisten
    • für Zeitsoldaten, die ab dem 31. Dezember 2018 als Soldatinnen oder Soldaten auf Zeit aus dem Dienst ausgeschieden sind.
    • für Teilnehmer an Umschulungsmaßnahmen bzw. beruflichen Rehamaßnahmen
    • für Beschäftigte einer Werkstatt für behinderte Menschen
    • für Arbeitnehmer, deren Mitgliedschaft durch Beschäftigung im Ausland oder bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation endete, wenn sie innerhalb von zwei Monaten nach Rückkehr in das Inland oder nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei der zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation wieder eine Beschäftigung aufnehmen.
  • ab dem 55. Lebensjahr wird es sehr schwer in die GKV zurückzukehren. Die Koordinationsstelle Rechtswissenschaften der Uni Bamberg stellt folgende Möglichkeiten vor:
    • Eine Rückkehr in die GKV ist dann möglich, wenn der Antragsteller verheiratet oder verpartnert ist, der Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner in der GKV versichert ist und der Antragsteller das monatliche Gesamteinkommen voraussichtlich die kommenden 12 Monate auf unter 445 € bzw. 410 Euro (im Jahre 2019, alte bzw. neue Bundesländer) drückt.
    • Wer eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen wird, wird in der gesetzlichen Krankenversicherung  wieder pflichtversichert, wenn seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums in der GKV pflichtversichert, freiwillig versichert oder familienversichert war. Auf diesen Zeitraum werden gemäß für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind drei Jahre angerechnet.
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Über Jochen Radau

Studium der Sozialpädagogik in Würzburg und Studium der Medizintechnik in Ulm, seit 20 Jahren psychosozialer Berater bei der DMSG im Landesverband Bayern, dort auch Onlineberater. Betreiber und Redakteur dieses und weiterer Blogs zu den Themen Schwerbehinderung und Pflegeversicherung. Weiterqualifikationen in systemischer Beratung und vielen Themen des Sozialrechts.